Zeit für einen Kanzlerkandidaten, der die Menschen erreicht.
Lieber Olaf, Moin Genosse Scholz, sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
vor viel zu langer Zeit galten wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten als cool. Im Bus saßen wir immer hinten, weil wir cool waren. Mittlerweile sitzen wir woanders. Wir wurden nach vorne durchgereicht – zu denen, die als altbacken gelten. Wir sind nun in jenen Reihen platziert, wo Politik als reiner Funktionärsjob betrachtet und Parteiarbeit so organisiert wird, als wäre es eine Amtsstube, mit eingebautem Hinterzimmer.
Lieber Olaf, wir sind mit unserem Platz im Bus unzufrieden, ja richtiggehend sauer! Nach ganz vorne sind es nur noch wenige Reihen und eine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Als Genossinnen und Genossen in der Kommunalpolitik haben wir mittlerweile einen schweren Stand – wenige möchten weiterhin etwas mit uns zu tun haben oder nehmen uns noch ernst. Es wird viel gelacht – auf unsere Kosten.
Wir hatten die Hoffnung, dass mit dir als Kanzler eine Zeitenwende anbricht – unser Vertrauen hattest du dafür. Nach dreieinhalb Jahren müssen wir festhalten, die Zeitenwende hat nicht stattgefunden. Du konntest dein Versprechen nicht halten und helfen lassen wolltest du dir von uns, deiner Partei, auch nicht – so unser Eindruck. Mittlerweile fehlt unserer Partei die Leidenschaft und die eindeutige Positionierung für Themen. Themen, die heute in einer globalisierten und digitalisierten Welt wichtig sind, weil deren Konsequenzen uns alle zu Hause, vor Ort betreffen. Es fehlt die Neugierde für die Menschen, es fehlt der Punk und der Spirit für eine Zukunft, in der Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit die gemeinsame gesellschaftliche Klammer sind.
Lieber Olaf, wir haben großen und ehrlichen Respeckt vor deiner bisherigen Lebensleistung! Und ganz alleine bist du nun wahrlich nicht Schuld am aktuellen Erscheinungsbild der SPD – wir haben ja Augen und Hirn im Kopf. Mit unseren Erfahrungen auf kommunaler Ebene können wir zudem nur erahnen, welches Pensum du täglich leistest. Wir wissen aber, dass Politik allein durch Teamplay erfolgreich ist, das gilt für Kommunalpolitiker ebenso wie für Bundeskanzler. Und dieses Teamplay wird immer wichtiger, wollen wir die Menschen nicht noch weiter in die Arme von Rechtsextremen, Rechts- und Linkspolulisten treiben.
Lieber Olaf, die Sozialdemokratie kann mehr als sie momentan zum Besten gibt. Die Sozialdemokratie steht für so viel mehr, als sie augenblicklich zeigt. Als Mitglieder dieser wunderbaren Partei möchten wir wirken – dafür stehen wir jeden Tag im Wind, Oppositionsarbeit ist hingegen Mist! Wir sind die Partei, die wie keine andere für Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit steht. Gerade Freiheit ist nicht verhandelbar, ist nicht relativierbar. Ohne Freiheit kein Frieden. Wir waren und sind uns häufig nicht sicher, ob du das eigentlich genauso siehst. Wir glauben, dass die Stegners in unserer Partei eher eine Minderheit sind, die natürlich einbezogen werden aber nicht handlungsleitend sein sollen.
Lieber Olaf, wir brauchen im kommenden, kurzen Wahlkampf genau jene Person als Kanzlerkandidaten, die für uns – die SPD – die meisten Stimmen holen kann. Wir brauchen jemanden mit Teamgeist, jemanden, der die Menschen erreicht, der eine klare Sprache spricht, einen Erklärer, einen Anpacker, einen Abholer, einen Mitnehmer.
Lieber Genosse Olaf Scholz, wir bitten dich, mache für die kommende Bundestagswahl den Weg frei, trete zurück von deinen Ambitionen erneut Kanzlerkandidat für die SPD zu sein. Ermögliche deiner Partei Klarheit und das Abrufen von Kraft für einen harten Wahlkampf für einen anderen Kanzlerkandidaten, der im Bus – zusammen mit uns – wieder hinten Platz nehmen darf.